Ich habe mich sehr gefreut, dass sich endlich auch Stimmen melden, die sich für den Erhalt des Bad Essener Speichers einsetzen. Erschreckend steigt die Vermutung auf, dass man von Beginn an die Erwartungen so hochgeschraubt hat, dass jeder Plan zur Erhaltung zerplatzen musste.

Der 10 Stockwerke hohe Speicher wurde 1938 von Ludwig Hardach gebaut. Wieviel Staatlicher Rückhalt dahinter steckte, kann ich nicht sagen. Ludwig Hardach war ein Freund meines Vaters, und ich erinnere mich, wie er erzählte, dass beim Umschwung 1945 die Engländer den Speicher sprengen wollen. Da habe sich auf die Rampe gesetzt uns ich strikt geweigert, den Platz u verlassen. „ Nur über meine Leiche!“, habe er kundgetan, und die Soldaten, die ihn wegtragen wollten, seinerseits bedroht. Der Erbauer hat derzeit sein Leben riskiert, um den einmaligen Bau zu erhalten.

Die Spinnerei, man habe im Speicher das Vergasen von Auschwitz geprobt, kann wohl nur von ideologisch verbogenen Gedanken kommen. In dem Speicher lagerte nicht nur Getreide, dessen Schädlinge man angeblich vergasen wollte, sondern auch Lebensmittel wie Reis, Kaffee u.a.

Sollte das aus politischem Wahnsinn vergiftet worden sein? Wohl kaum, denn 1945 wurden unzählbar viele Menschen mit den Lebensmitteln aus dem Speicher versorgt, die von der Besatzung für die Bevölkerung freigegeben wurden.

Mein späterer Mann hat damals mit dem Fahrrad in 20 l-Kannen Reis aus dem Speicher geholt, von dem seine Mutter täglich im großen Kessel Milchreis kochte und mit gekochten Eiern an Männer verteilte, die sich im Osten von der Wehrmacht abgesetzt hatten, um zu Fuß im Schutz der Wälder nach Haus zukommen. Ihre Uniformen hatten sie ausgezogen, es gab genug private Kleidung, deren Besitzer im Krieg ihr Leben ließen, und die hiesigen Leute waren hilfsbereit. Da ist so mancher Soldat dem sinnlosen Kampf entflohen, um zu Fuß ins Ruhrgebiet zu gelangen, unter anderem mit Hilfe aus dem Speicher.

Ja, nun wird der Speicher, dieses markante Wahrzeichen von Bad Essen, doch wohl abgerissen. Nach meiner Meinung wäre das eine Schande für Bad Essen. Mit diesem Blinzelblick durch einen kleinen Spalt in unsere Gegenwart erkennen,  wir klar zwei Meinungsblöcke, die auseinanderstreben. Wer wird gewinnen? Immer der mit der meisten Macht. Und Macht strebt nach Gewinn. In diesem Fall heißt das, wenn der Speicher für teure Raumvermietungen nicht taugt, muss er weg! Egal, was es kostet. Wie manche schöne Fachwerkanlage musste schon verschwinden, um mehrstöckigen Wohnungsbauten Platz zu machen. Die brachten die Kosten des Abrisses schnell wieder ein. Aber Vorsicht! An Bunkerwänden haben sich schon andere die Zähne ausgebissen.

Warum geht es nicht bescheidener? Wenn ich auch in dieser Art Technik total unbedarft bin, habe ich doch eine Vision. Könnte man in die eine  Hälfte des Speichers, die keine Zwischenböden hat, evtl. zwei Aufzüge einbauen? Einen für Lasten mit Durchbrüchen zu den Lagerräumen, die man dann vermieten könnte. Der zweite Aufzug  nach oben für Personen und  Gebrauchsartikel führe zu einer  Dachterrasse mit Café und herrlichem Ausblick. Wäre es dann  noch möglich, den Vorschlag von  Dr. Kröger mit einzubeziehen, einen begrünten Außenaufgang noch oben zum Café zu erstellen, würde der Aufwand immer noch nicht teurer sein als der Abriss und Abtransport der riesigen Schutthaufen des zertrümmerten Speichers.

Es wäre schon viel gewonnen, erst einmal für die Pflege zum Erhalt zu sorgen. Nicht mit dem Kopf durch die Wand, mit den Füßen auf der Erde bleiben! Die Mehrheit hat entschieden, ja, nach Wissen und Gewissen – oder doch eher nach Parteidoktrin?

Da fällt mir die unvergessene Schwester Charlotte Röder aus dem Diakonissenmutterhaus in Lemförde ein, die als immer hilfsbereite und unermüdlich tätige Gemeindeschwester in Rabber tätig war. Sie sagte: „Glaub es, Demokratie floriert auf Dauer nur in der Verantwortung vor Gott, sonst zerfällt sie mit den Jahren in egoistische Gruppierungen.“

Elly Wübbeler

geschrieben im März 2018 mit  Zitaten aus ihrem Buch „Lebenswege durch die Heimat und 100 Jahre Geschichte“  von Elly Wübbeler, S. 220 und S. 221


Hinweis der Initative: Leserbriefe, die hier unter der Rubrik „Meinungen“ zu finden sind, sind stets persönliche Meinungsäußerungen des jeweiligen Verfassers, welcher jeweils am Ende des Textes benannt ist.