Leserbrief

„Was Du ererbt von Deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen.“

Dieser Satz von Goethe was früher ein beliebtes Aufsatzthema. Auch ich musste in der Schule eine sog. Besinnungsaufsatz dazu schreiben. Goethe ist heute nicht mehr groß gefragt, doch seine Aufforderung ist m.E. nicht überholt und es lohnt sich, darüber nachzudenken. Unser Erbe schließt alle unsere Lebensbereiche ein. Unsere Geschichte mit ihren positiven und negativen Kapiteln, unsere Sitten und Gewohnheiten, und nicht zuletzt gehören geschichtsträchtige Bauwerke dazu. Dafür ist der achtzig Jahre alte Kornspeicher in Bad Essen ein Paradebeispiel. Er ist ein eindrucksvolles, architektonisches Bauwerk, eine vertraute Landmarke, auch für die Kanalschiffer. Ein Bau in dieser Höhe, 35 Meter, würde heute gar nicht mehr erlaubt.

Marina hin, Marina her, sie ist eine Neubausiedlung. Ein Haus ist wie das andere, ein weites Feld von Flachdächern, sehr dicht gebaut. Eine maximale Grundstücksausbeute, für Begleitgrün wie einzelne Bäume ist praktisch kein Platz. In dieser massiven Uniformität ist die Marina allein m.E. kein ästhetischer Gewinn. Der hohe Speicher ist der architektonische Kontrapunkt in dem baulichen Einerlei. Der Architekt hat das bei der Planung klar erkannt. Das Flache gegen das Hohe, die Waagerechte gegen die Horizontale. Der Speicher ist kein nutzloser erratischer Block, er ist längst ein Charakteristisches, wertvolles Element der Marina. Er sollte nicht zerstört werden. Flair lässt sich nicht auf dem Reißbrett planen. Es entsteht im Wachsen, vor allem, wenn zu Altem Neues hinzukommt. (…) Auch beim Kornspeicher wäre m.E. eine Denkpause sinnvoll, um den Abriss noch einmal zu überdenken.

Der Speicher ist ein Erbe. Können wir es verantworten, unseren Nachkommen dieses Erbe zu nehmen?

Dr. Klaus Mees, Herringhausen
veröffentlicht im Eichen-Linden-Kastanienblatt am 22.06.2018


Hinweis der Initative: Leserbriefe, die hier unter der Rubrik „Meinungen“ zu finden sind, sind stets persönliche Meinungsäußerungen des jeweiligen Verfassers, welcher jeweils am Ende des Textes benannt ist.


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